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Abraham Rauner kam als Handelsmann aus Sohren im Hunsrück nach Mandel und heiratete dort 1880 Amalia Levi. Sie kauften dieses Haus und richteten darin einen sogenannten „Kolonialwarenladen“ ein. Ihr erstes Kind Estella starb im Alter von 2 Jahren und wurde auf dem Mandeler jüdischen Friedhof bestattet. Es ist der einzige noch erhaltene Kindergrabstein dort. 1886 verkaufte Abraham Rauner seinen hinter dem Haus liegenden Garten (heute an der Kreuznacher Straße) an die Familie Baumberger zum Bau eines Wohnhauses. Da Familie Rauner nach Bad Kreuznach umziehen wollte, verkaufte sie 1898 ihr Anwesen an Familie Johann Simon, die auch den Laden übernahm. Sohn Isaak Rauner fiel im I. Weltkrieg in Frankreich. Sein Name ist auf der Gedenktafel der Gefallenen des I. Weltkrieges auf dem jüdischen Friedhof in Bad Kreuznach zu finden. Sohn Edmund, der in Schweinfurt lebte und Mechaniker war, wurde wegen seiner kommunistischen Gesinnung im KZ Dachau interniert, wo er 1938 ums Leben kam.

Haus Rauner

Schon im 16. Jahrhundert lebten Juden in Mandel. 1560 wird in den Akten der Freiherren von Dalberg ein Jude Mosche von Mandel zu Heddesheim erwähnt, der vor das Dalbergische Hofgericht zu Hermsheim geladen wurde. Da die Juden für den König in wirtschaftlicher Hinsicht nicht mehr von Bedeutung waren, hatte dieser sein Recht, den Juden Schutz zu gewähren, an die Territorialherren abgegeben. 

haus Rauner

In Mandel unterstanden die jüdischen Familien dem direkten Schutz der Herren von Koppenstein, die die Ortsherrschaft innehatten. Die Koppensteiner erhielten Abgaben für die Beschneidung und das Begräbnis sowie für die Neuaufnahme fremder jüdischer Familien. Denn in der Regel begrenzten die Ortsherren die Zahl der Juden im Dorf, um der Verarmung oder möglichen Konflikten mit den christlichen Untertanen vorzubeugen. Nur der älteste Sohn einer Familie verfügte aufgrund des Erbrechts über die wirtschaftliche Grundlage, eine Familie zu ernähren.

1788 lebten in Mandel 16 Personen jüdischen Glaubens in fünf Familien. Zwar konnten die Juden „mit allerhand zulässigen Waren Handtierung treiben“. Doch meistens lebten sie vom Getreide- und Viehhandel. Andere Berufe waren ihnen verwehrt. Für die Nutzung der Allmende (Wasser und Weiden der Dorfgemeinschaft) für ihr Handelsvieh mussten sie an die Gemeindekasse eine Gebühr von 2 Gulden zahlen.

 

Die jüdische Gemeinde besaß auch eine eigene Begräbnisstätte außerhalb des Dorfes, auf der Anhöhe in Richtung St. Katharinen. Denn nach den Vorstellungen der Juden galt der Friedhof als unrein. Für dieses „unnütze Stück Feld“ mussten sie an die Gemeinde nichts zahlen.

Haus Rauner

Die französischen Revolutionstruppen brachten die bürgerliche Freiheit, auch für die Juden. Mit dem Frieden von Luneville 1801 wurde unsere Region endgültig in den französischen Staat eingegliedert. Mandel wurde zur Mairie erhoben. Die einzelnen jüdischen Gemeinden wurden nun Konsistorien zugeordnet, die sich mit allen Fragen des Kultus befassten. Für unsere Region saß das zuständige Konsistorium in Bonn. In den 1798 vom Staat installierten Standesämtern wurden in den Personenstandsregistern nun auch die Daten der Juden erfasst. Seit 1808 waren alle jüdischen Personen verpflichtet, einen offiziellen Familiennamen festzulegen, den sie vorher nicht besaßen. Die Gemeinde war auf 25 Personen angewachsen. Mit der bürgerlichen Freiheit kam auch die Gewerbefreiheit. Nun standen ihnen alle Berufe offen. Doch der größte Teil der jüdischen Bevölkerung auf dem Lande betätigte sich weiterhin als Handelsmann oder Kleinhändler. In Mandel tauchen auch andere Berufe auf wie Kammmacher oder ein „Destillateur“. Es gab sogar zeitweise eine jüdische Gastwirtschaft. Der Beruf des Metzgers, der beim Schlachten (Schächten) und Verarbeiten der Tiere die jüdischen Reinheitsgebote einhalten musste, war von besonderer Bedeutung. 

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Mit dem Wiener Kongress kam unsere Region 1815 zu Preußen, das die Rechte der Juden übernahm. 1847 regelte ein Gesetz die Organisation der jüdischen Gemeinden. Alle Gemeinden des damaligen Kreises Kreuznach wurden zur Synagogengemeinde Kreuznach zusammengeschlossen, mit dem zuständigen Konsistorium in Bonn. Der Rabbiner saß in Kreuznach.

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1858 war die jüdische Gemeinde in Mandel auf 75 Personen angewachsen. Das „Minjan“, die für den jüdischen Gottesdienst notwendige Zahl von zehn religionsmündigen männlichen Betern war erreicht. Aus diesem Grund schlossen sich die Mandeler Familien 1848 durch einen Vertrag zu einer „Glaubensgemeinde“ zusammen mit eigenem Vorstand. Es sollte eine eigene Synagoge gebaut werden, an deren Kosten sich alle Gemeindeglieder beteiligen mussten. Um das Jahr 1853 wurde die Synagoge im Hinterhof eines landwirtschaftlichen Anwesens gegenüber der alten evangelischen Schule errichtet. Es war ein aus rotem Sandstein gebauter einfacher Giebelbau mit gesprossten Rundbogenfenstern. Im Eingangsbereich führte eine Tür zur „Mikwe“, dem jüdischen rituellen Reinigungsbad. Für die Frauen, die von den Männern getrennt sitzen mussten, führte über das angrenzende Nachbarhaus eine Treppe hoch zur Empore. In diesem Haus wohnte der Vorbeter und Schächter der Gemeinde.

Die jüdischen Kinder besuchten die evangelische Schule. Für den Unterricht im Hebräischen und in der jüdischen Religionslehre beschäftigte die jüdische Gemeinde einen eigenen Lehrer, der auch als Vorbeter und Schächter tätig war.

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Mit der Reichsgründung 1871 wurde die rechtliche Gleichstellung aller Juden durch eine einheitliche Gesetzgebung für ganz Deutschland festgeschrieben. Die jüdischen Familien von Mandel waren gesellschaftlich integriert und assimiliert. Sie fühlten sich als Deutsche mosaischen Glaubens. Sie gehörten dem Vorstand des TUS Mandel an. Sie kämpften ganz selbstverständlich für ihr „Vaterland“ im I. Weltkrieg. Die Namen ihrer Gefallenen stehen auf dem Ehrenmal der Gemeinde. 

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Durch die Industrialisierung am Ende des 19. Jahrhunderts wanderten viele jüdische Familien in die Städte und die großen Industriezentren ab. 1895 lebten nur noch 48 jüdische Gemeindeglieder in Mandel, 1925 war ihre Zahl auf 22 gesunken.

 

Mit der Machtergreifung Hitlers 1933 setzte die nationalsozialistische Judenverfolgung ein. Sukzessive wurde die jüdische Bevölkerung aus dem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben verdrängt und ghettoisiert, bis die Vernichtungspläne in die Tat umgesetzt wurden. Mandeler Familien versuchten entweder in den Städten unterzutauchen oder ins Ausland zu fliehen, nach Frankreich, Niederlande, England, USA oder andere Länder.

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In der Pogromnacht am 10. November 1938 wurden die Wohnhäuser der Familien Salomon, Marx und Michel verwüstet. In der Synagoge kam es ebenfalls zu Verwüstungen. Gebetsbücher und Decken lagen im Hof und auf der Straße. Auf dem jüdischen Friedhof wüteten auswärtige Schlägertrupps.

Die Synagoge wurde 1939 an zwei angrenzende Nachbarn verkauft und der hintere und letzte Teil 1959/60 abgerissen.

 

Neben Jakob Hirsch, der 1941 in ein jüdisches Altersheim kam und dort starb, war Familie Marx die letzte verbliebene Familie in Mandel. Sie wurde direkt von Mandel aus deportiert. Am 26. Juli 1942 wurden alle verbliebenen Mitglieder der Familie mit einem Lastwagen abgeholt und über das Sammellager in Kreuznach in das Konzentrationslager Theresienstadt gebracht. Rosa Marx kam nach Treblinka und ihre Nichte Karola Marx nach Izbica. Sie fielen der Vernichtungsmaschinerie Hitlers zum Opfer.